Fragebogenstudien
Vermutlich denken Sie bei empirischen Methoden für die Sprachwissenschaft vor allem an die Nutzung von Korpora, über die Sie ja auch in dieser Tutorialreihe bereits sehr viel gelernt haben. Korpusstudien können sicherlich als die verbreitetste empirische Methode innerhalb der Sprachwissenschaft gelten, allerdings sind sie keineswegs die einzige Methode. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit Hilfe von Fragebögen, die von Sprecher*innen einer Sprache ausgefüllt werden, etwas über deren Sprachgebrauch zu erfahren.
Solche Fragebogenstudien könnten Ihnen vielleicht aus der Sozialforschung bekannt sein. Doch auch in der Sprachwissenschaft erfreuen sie sich für bestimmte wissenschaftliche Fragestellungen und Untersuchungszwecke durchaus großer Beliebtheit. Ihre Anwendung ist dabei allerdings keineswegs auf Einflüsse der modernen Sozialforschung auf die Sprachwissenschaft zurückzuführen: Fragebogenstudien sind kein ‘neues’ Phänomen.
Schon der Sprachwissenschaftler Georg Wenker (1852-1911) hat mit Hilfe der nach ihm so genannten Wenkerbögen oder Wenker-Fragebögen die regionale Verteilung lautlicher Varianten im Deutschen Reich untersucht und kartiert, indem er bestimmte Sätze von Volksschullehrern über das gesamte Deutsche Reich hinweg ausfüllen ließ. Der so entstandene Sprachatlas des Deutschen Reichs ist heute über das in Marburg beheimatete Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas online einsehbar. Fragebogenstudien waren also schon im 19. Jahrhundert fester Bestandteil des Spektrums an empirischen Methoden der Sprachwissenschaft, lange bevor es maschinenlesbare Korpora gab.
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